Kränkung – was ich schon immer darüber wissen wollte

Ungerechtfertigte Kritik, beleidigende Bemerkungen, Bloßstellungen, Demütigungen, Tadel, fehlende Wertschätzung und Aufmerksamkeit, Übergangenwerden, abschätzige Blicke oder Zurückweisungen schmerzen und verletzen. Niemand ist geschützt vor Kränkungen und verletzten Gefühlen.

Bei einer Kränkung fühlen wir uns immer persönlich und in unserer gesamten Person angegriffen. Wir beschreiben das zum Beispiel mit Worten wie: “Der andere verletzt mich, dem bin ich egal, so kann er nicht mit mir umgehen, misstraut mir, trampelt auf meinen Gefühlen herum, putzt mich herunter, bricht mir das Herz”. Meist merken wir die Kränkung auch körperlich. Wir verspüren zum Beispiel das die Luft weg bleibt, das Gesicht rot oder blass wird, es steckt ein Kloß im Hals, es schnürt den Magen zusammen und wir können keinen klaren Gedanken fassen.

Wie kommt es zu einer Kränkung und was passiert dabei?

Wenn jemand etwas sagt oder tut und wir uns verletzt fühlen, dann deshalb, weil wir sein Verhalten als kränkend und beleidigend ansehen. Wir fügen uns eigentlich selbst die Kränkung zu, indem wir die Worte eines anderen als verletzend bewerten und empfinden. Nun könnte man sage, „selbst schuld“. Das ist aber nicht ganz so. Verletzungen sind in einem hohen Maß von unserem Selbstwertgefühl abhängig. Ist es angeschlagen oder gering oder liegt eine Erschöpfung vor, nehmen wir anders wahr und empfinden viele Aussagen als demütigend, respektlos, beleidigend.

Es gibt aber auch Menschen, die durch ihr Verhalten versuchen, bewusst zu kränken. Dahinter könnten sich Motive verbergen wie ein eigenes geringes Selbstwertgefühl, aber auch Rache und Wut.

Wie erfolgt der Umgang mit Kränkungen?

Jeder geht anders mit Kränkungen um. Verletzungen dieser Art können nur wenige Menschen verzeihen oder gar vergessen. Typische Reaktionen sind Rückzug, das heißt eine Distanz wird aufgebaut oder der Kontakt wird abgebrochen. Die zweite Möglichkeit ist der Angriff nach dem Motto „Rache ist süß“ und die Fronten verhärten sich, der Konflikt eskaliert. Und schließlich können wir auf Kränkungen auch mit Selbstmitleid reagieren, das heißt wir fühlen uns als Opfer und schwächen uns mit den Gedanken daran ständig selbst.

Die Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf empfiehlt auf Ihrer Internetseite www.selbsthilfe-beratung.de:

Prüfe, ob das, was der andere gesagt/getan hat, richtig bei dir angekommen ist. Hast du richtig verstanden, was dein Gegenüber gesagt hat? Frage ihn direkt: “Wie meinst du das?” “Was verstehst du darunter?” “Auf welches konkrete Verhalten beziehst du dich mit deiner Kritik?” “Was wollest du mir mit deinem Verhalten signalisieren? Wenn du möchtest, kannst du mit diesen Rückfragen warten, bis du dich wieder stärker und ruhiger fühlst.

Sprich über deine Gefühle und Wünsche. Teile deinem Gegenüber mit, wie du dich fühlst und wie seine Worte oder sein Verhalten bei dir angekommen sind, und was du dir anders wünscht: “Ich habe mich … gefühlt, weil ich das so …. verstanden habe. Ich würde mir wünschen, dass du …. sagst/tust.”

Schlüpfe in die Schuhe des anderen. Überlege dir, welche Gefühle und Motive hinter seinem Verhalten stehen könnten. Hat er sich zuvor möglicherweise von dir angegriffen gefühlt? Passt auf ihn das Stichwort “Ein getroffener Hund bellt”? Ist er generell ein Mensch mit geringem Selbstwertgefühl? Verhält er sich im Allgemeinen anderen Menschen gegenüber aggressiv und abwertend? Fehlt ihm generell die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen? Ist er zur Zeit stark mit seinen eigenen Problemen beschäftigt? Fällt es ihm schwer, offen zu sein und Nein zu sagen?

Suche nach positiven Motiven bei deinem Gegenüber. Frage dich, ob sich auch positive Absichten hinter seinem Verhalten verbergen könnten? Wollte er dir ein Kompliment machen, das missglückt ist? Wollte er dir helfen, einen Fehler auszumerzen? Oder könnte sein Verhalten vielleicht überhaupt nichts mit dir zu tun haben, sondern mit seiner schlechten Stimmung, Überforderung, Müdigkeit, einer aktuellen Krisensituation?

Halte Tatsache und Meinung sorgfältig auseinander. Erinnere dich daran, dass seine Worte nur seine persönliche Meinung widerspiegeln. Sie müssen überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Du hast die Wahl, ob du seine Meinung für dich akzeptierst oder dir sagst: “Das ist seine persönliche Sichtweise. Ich weiß, dass ich nicht so bin, wie er mich sieht”.

Überlege, welche Bedeutung du diesem Ereignis beimessen willst. Ist das Ereignis für dich so wichtig, dass du dich in Gedanken weiter damit beschäftigen willst? Hilft dir die Beschäftigung damit, deine Ziele zu erreichen und glücklich zu sein? Lohnt es sich, dafür deinen Körper in Aufruhr zu bringen und deine Abwehrkräfte zu schwächen? Wenn nicht, unterbreche deine Erinnerungen immer wieder mit einem innerlichen “Stopp” und sage dir: “Ich bin bereit, loszulassen. Das ist Vergangenheit” – solange bis du nicht mehr an das negative Ereignis denkst.

Notiere deine Gedanken und Gefühle. Vertraue deine quälenden Gedanken einem Tagebuch an und schließe deinen Text mit dem Satz: “Mir gefällt nicht, was der andere gesagt/getan hat, ich bin enttäuscht und traurig. Ich bin ärgerlich. Doch ich bin bereit, ihm zu verzeihen. Er ist ein Mensch und macht als solcher ab und zu Fehler.

Prüfe, wie wichtig dir die Beziehung ist. Wenn du es mit einem Menschen zu tun hast, der dich immer wieder zu verletzen versucht, überlege dir, ob du weiterhin mit ihm zusammensein willst/musst oder ob du dich von ihm zurückziehen möchtest.

Grundsätzlich gilt: Andere können deine Person nicht in Frage stellen, wenn du es nicht zulässt.

Autorin: Anita Schmitt