Spiritualität – Weder Hokuspokus noch Spinnerei

Schon seit vielen Jahren überlege ich, wie ich Spiritualität für mich definieren könnte. Ganz ehrlich – ich habe noch keine konkrete knappe Antwort darauf gefunden. Ich halte es wie der Psychologe Rudolf Sponsel, es ist eine Suche nach den Sinn und Werten des Daseins, der Menschen und in der Welt und besonders der eigenen Existenz und der Selbstverwirklichung im Leben. Für mich ist es eine Lebenseinstellung.

Spiritualität und Religion

Hineingeboren in eine katholische Familie mit Eltern und Großeltern in einem Haus, war der christliche Glaube für mich täglich präsent, ob in Gebeten, dem sonntäglichen Kirchgang oder auch den Zeichen wie das Kreuz in der Küche. Im Wochenverlauf zeigten sich Rituale wie der Fleischverzicht am Freitag und der Ehrerbietung gegenüber dem Pfarrer eher unsinnig als für meine Persönlichkeit fördernd. Gleichzeitig lernte ich durch diese Polarisierung das Hinterfragen nach meiner Existenz, meiner Daseinsberechtigung, meinem Sein.

Spiritualität als menschliches Grundbedürfnis

Spiritualität zeigt sich bei jedem anders. Geht der eine gerne in die Kirche zum Gebet, vertraut auf Gott und liebt die Geborgenheit der Gemeinde, zeigt es sich beim anderen in verschiedene Wesenseigenschaften wie Mitgefühl, Großzügigkeit, Toleranz, Ehrfurcht, Dankbarkeit oder Gleichmut. Gelebte Spiritualität ist Vertrauen auf den Fluss des Lebens, ein Vertrauen auf das Gute im Sein, ein Vertrauen auf die eigenen Gefühle und die Verbundenheit mit anderen Menschen, mit etwas Größerem und mit dem Leben. Diese Haltung empfinde ich als Erleichterung, sie ermöglicht mir tiefe und helle, glückliche, ja beseelte Momente. Sie ist für mich nicht greifbar und nicht begreifbar. Es ist für mich Sehnsucht und Erfüllung in einem.

Spiritualität als Freiheit des Geistes

Für mich bedeutet aber auch Spiritualität alles und jeden in seinem Sein zuzulassen. Das beinhaltet auch in Konfliktsituationen den anderen dennoch mit Güte anzunehmen und in der Beziehung zu bleiben. Eine liebende Haltung ist dazu von Nöten, bedingungslose Liebe zu sich und den anderen um von dieser Haltung aus Freiheit in Verbundenheit zu spüren. Durch die spirituelle Haltung, die Haltung der Freiheit im Geist, wird eine Entfaltung, ein Erblühen von einem Selbst und anderen Menschen möglich.

Spiritualität als Lebenseinstellung

Spiritualität hat somit für mich mit Freiheit und Vielfalt, mit Offenheit und Hingabe zu tun. Für mich ist es kein Hokuspokus und auch keine Spinnerei. Es ist höchstens etwas, was durch seine „Geistigkeit“ oder „Unbeschreiblichkeit“ oft in ein Schubfach gesteckt wird oder Bekanntem oder Personen zugeordnet wird. Sie ist für mich eine Lebenseinstellung, eine Hinwendung zur bedingungslosen Liebe im Leben. Somit könnte man sagen: Liebe ist immer spirituell und Spiritualität immer Liebe.

Autorin: Anita Schmitt