Führen

Fühlen ist das neue Führen

Die sich ständig wandelnde Arbeitswelt erlebt eine zunehmende Verschiebung in der Wahrnehmung der Arbeitnehmer. Oliver Heyden und Andreas Steinle präsentieren in ihrem Arbeitsreport eine wegweisende Analyse, die aufzeigt, dass Menschen die Arbeit nicht mehr als Lebensmittelpunkt sehen wollen. Stattdessen streben sie nach mehr Individualität, Flexibilität und einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Freizeit.

Passion Economy – Sinnstiftende Arbeit

Die „Passion Economy“ setzt den Trend für sinnstiftende Arbeit. Menschen orientieren sich vermehrt an ihren individuellen Talenten und Leidenschaften. Sinn und die Entfaltung der Persönlichkeit steht im Mittelpunkt. Plattformen wie LinkedIn ermöglichen es, diese mit der Welt zu teilen, und viele entscheiden sich für die Selbstständigkeit als Creator, Influencer oder Live Streamer. Die sozialen Medien bieten eingen großen Resonanzraum. Gerade die Soloselbständigkeit nimmt zu, da eine Vermarktung der eigenen Talente durch Digitalisieurung und soziale Medien niederschwellig, ohne große Kosten und für Massen attraktiv sind. Es ist für viele Menschen eine Alternative zur abhängigen Beschäftigung.

Polywork – Patchwork in der Arbeitswelt

„Polywork“ beschreibt eine Zukunft, in der traditionelle Arbeitsmodelle aufgebrochen werden. Teilzeit, Vier-Tage-Woche, Job Sharing und Hybrid Work werden zur Norm. Es gibt keine geregelten Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle mehr, es gibt keine Trennung mehr von Beruf und Privaten, Lebensbalance statt Work-Life-Balance. Die Hyperindividualisierung und Flexibilisierung revolutionieren die Jobstrukturen, und Menschen werden gleichzeitig für verschiedene Organisationen und in verschiedenen Jobs tätig sein. Studium bzw. Fortbildung wird mit Anstellung oder Freiberuflichkeit gemischt und individuell flexibel miteinander verbunden.

Job Crafting – bessere Arbeitswelt für alle

„Job Crafting“ ermöglicht es, den eigenen Job zu gestalten und mit persönlichen Interessen zu verbinden. Diese individuelle Anpassung von Arbeit gilt nicht nur für akademische Berufe, sondern auch für schlecht bezahlte Jobs und Tätigkeiten mit schlechten Arbeitsbedingungen. Fachkräftemanagel verstärkt die Notwendigkeit in den „helfenden“ Berufen attraktive Arbeitsplätze zu schaffen mit selbstbestimmtes Arbeiten. Es gibt drei Kernbereiche des Job Crafting:

  • die Veränderung des Aufgabenbereichs
  • die Veränderung der Arbeitsbeziehungen, also die Zusammenarbeit von Personen
  • und die Veränderung der Wahrnehmung der Arbeit.

Job Crafting trägt dazu bei, die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden zu steigern.

New Leadership – Führung mit Menschlichkeit

„New Leadership“ steht für einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur. Angesichts von „Toxic Leadership“ und steigender Unzufriedenheit der Belegschaft wird ein empathischer, unterstützender Führungsstil immer wichtiger. Die Anforderungen an Führungskräfte verlagern sich von traditionellen Management-Kompetenzen zu starken „Social Skills“ wie Empathie, Kommunikationsfähigkeit und Anerkennung. Es geht um Mindful Management, Laterale Führung, Conscious Leadership, Inclusive Leadership,  Feelgoodmanagement und Corporate Culture Management.

Der neue Typ von Führungskraft ist empathisch, integrativ, nahbar und mit hoher emotionalen Intelligenz. Langfristig kann sich kein Unternehmen toxische Führungskräfte leisten.

Der neue Führungsstil geht mit einer Machtverschiebung einher, bei der Verantwortung vermehrt auf die Teams übertragen wird. Dies fördert Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit in Organisationen. „Vorgesetzter“ klingt im Jahr 2024 altmodisch, und moderne Führungskräfte beherrschen eine Vielzahl von Führungsstilen, abhängig vom Reifegrad des Unternehmens und der Mitarbeitenden.

Die psychologische Sicherheit in Teams wird zum entscheidenden Faktor für erfolgreiche Zusammenarbeit. „New Leadership“ betont die Wichtigkeit von Authentizität, Logik und Empathie. Führungskräfte sollten eine positive Kultur etablieren, Werte vorleben und Flexibilität.

 

Handlungsempfehlungen für das Management

Um den Wandel zur neuen Ära der Führung zu unterstützen, sind einige Handlungsempfehlungen relevant:

  • Wer wissen will, wie es um die Führungskultur im Unternehmen bestellt ist, muss die Mitarbeitenden dazu anonym befragen, die Ergebnisse ernst nehmen und die Vorschläge prüfen und umsetzen.
  • Führungskräfte benötigen Social Skills und das sollte bereits in der Stellenausschreibung klar hervor gehoben werden. Empathie und Kommunikationsfähigkeit sind Grundvorraussetzung für Führung. Wer führen will, muss Menschen lieben.
  • Selbstreflexion und kontinuierliche Weiterbildung ist für moderne Führungskräfte grundlegend. Führungsstärke erlent man durch Trainings.
  • Moderne Führung ist kein Kuschelkurs. Es geht um konstruktives Feedback, situative Führung und Anpassung des Führungsstils je nach Reifegrad des Unternehmens und der Mitarbeitenden. Eine Führungskraft gibt alles individuell, sie delegiert, argumentiert, partizipiert, dirigiert, ist authentisch, transparent und menschlich.
  • New Leadership bedeutet Machtabgabe und Verantwortungsübertragung für mehr Handlungsfähigkeit der Teams.
  • Führungskräfte betonen die psychologischen Sicherheit in Teams und gestalten eine positive Arbeitsatmosphäre. Achtung vor toxischen Führungskräften mit psychpathischen Eigenschaften bzw. Narzissmus.
  • New Leadership berücksichtigt mentale Gesundheit als zentraler Aspekt der Führung. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion.
  • Förderung von Nahbarkeit, Verletzlichkeit und empathischem Führungsverhalten. Moderne Führung ist menschlich.
  • Stress droht nicht denjenigen, die Entscheidungen treffen müssen, sondern denjenigen, die genau das nicht dürfen.

Insgesamt verdeutlichen diese Trends und Entwicklungen die dringende Notwendigkeit für eine Neugestaltung der Führungskultur.

„Fühlen ist das Neue Führen“ repräsentiert nicht nur eine Veränderung in der Führung, sondern eine umfassende Transformation der Arbeitswelt.

Unternehmen, die diese Entwicklung aktiv umsetzen, werden nicht nur talentierte Mitarbeiter anziehen, sondern auch eine Kultur des Wohlbefindens (Feelgood) und des Erfolgs schaffen.

Copyright Anita Schmitt