Simplify your life – Interview

Ich führte ein Interview mit dem Bestsellerautor Werner Tiki Küstenmacher für die Vorankündigung einer Veranstaltung für den Lions Club.

Herr Küstenmacher, Sie sind Pfarrer und Karikaturist? Wie kam es, dass Sie sich der Vereinfachung des Lebens gewidmet haben?

Bei der simplify-Idee geht es um die Fragen: Was ist mir wirklich wichtig im Leben? Welcher Kleinkram hindert mich daran? Wie kann ich dieses Zeugs loswerden? Unter „Zeugs“ verstehe ich unnötige Gegenstände, überflüssige Verpflichtungen, unschöne Gewohnheiten. Die Erfahrung zeigt: Auch die kleinste Aktion, sich davon zu befreien, macht einen glücklicher.

Sie zählen zu den Top-Speakern in Deutschland. Das Besondere an Ihren Vorträgen ist, dass Sie nicht nur sprechen, sondern auch zeichnen. Es sind einzigartige und mittlerweile unverkennbare Karikaturen. Zum Beispiel vergleichen Sie den simplifiy-Weg mit einer achtstufigen Pyramide. Kommen wir einmal zur ersten Stufe. Sie betiteln diese mit „Sachen“. Was meinen Sie damit?

Durchschnittlich sind es weit über 10.000 Gegenstände, die wir besitzen. Niemals in der Menschheitsgeschichte hatten die Leute so viele Sachen, mit denen sie zurechtkommen sollen. Es ist ein Wunder, dass die meisten von uns es irgendwie schaffen. Der wunderbare simplify-Effekt besteht darin: Wenn Sie etwas entrümpelt oder aufgeräumt haben, gewinnen Sie nicht nur Platz, sondern fühlen sich auch besser. Vorher haben die Sachen etwas mit Ihnen gemacht, jetzt aber haben Sie etwas mit den Sachen gemacht. Das befreit, Sie fühlen Ihre eigene Autonomie.

So wie in der Welt der Sachen „das Gerümpel“ im Weg herum steht, erfährt man auf der zweiten Stufe den Umgang mit Geld. Sie schreiben in Ihrem Buch „Sie können nur dann mehr Geld verdienen, wenn Sie es loslassen können“. Können Sie das Paradoxon erklären?

Sobald Sie sich an Geld klammern, ist Ihnen der Weg zum Reichtum verwehrt. Loslassen ist etwas anderes als Gleichgültigkeit. Wenn Sie sich sagen „Geld ist mir egal“, dann errichten Sie eine Blockade gegen Reichtum. Besser wäre, wenn Sie sagen „Ich arbeite hart, nutze alle Möglichkeiten, setze meine Fähigkeiten ein, um erfolgreich zu sein. Wenn mir der große Durchbruch nicht gelingt, komme ich damit auch klar.“

Die meisten Menschen haben das Gefühl, die Zeit rinnt ihnen durch die Finger. Sie widmen der dritten Stufe der Pyramide genau diesem Thema. Was würden Sie diesen Menschen empfehlen?

Die Zeit ist eine Erfindung des Menschen. Man sollte sich verabschieden von Begriffen wie „ich stehe unter Zeitdruck“ oder „jemand stiehlt mir die Zeit“. Sehen Sie die Zeit als Geschenk, den Tag vor Ihnen als Garten voller Möglichkeiten. Gönnen Sie sich immer wieder Momente, in denen Sie ganz Sie selbst sind. Gehen Sie unter den freien Himmel.

„Das wichtigste ist doch die Gesundheit“, sagen viele Menschen und meinen dabei die Abwesenheit von Krankheit. Sie schreiben in Ihrem Buch „Gesundheit ist mehr als das – und gleichzeitig auch weniger“. Was ist darunter zu verstehen?

Gesund ist, wer sich wohl fühlt in seinem Körper, wer vorbeugend die Kräfte seines Körpers bewahrt und ausbaut. Es bedeutet aber auch, krank sein zu dürfen. Erkrankungen sind mit seelischem Wachstum untrennbar verbunden. Unser Körper ist oft klüger als wir und warnt uns beispielsweise, wenn wir uns überanstrengen. Ich kenne chronisch kranke Menschen, die Großartiges leisten und gerade durch den Umgang mit dem Leiden anderen Menschen viel geben können.

Den nächsten beiden Stufen widmen Sie den Beziehungen zu Mitmenschen. Das Wort „Networking“ findet sich auch in Ihrem Buch. Können Sie uns das Geheimnis beim erfolgreichen Aufbau sozialer Vernetzung verraten?

Networking darf kein verbissenes Fragen sein: „Wird mir dieser Mensch nützen?“ Wenn Sie jemanden mögen, dann investieren Sie Zeit in die Beziehung zu ihm, gleichgültig ob es ein Kunde ist, ein Kollege oder eine flüchtige Bekanntschaft. Ich plädiere dafür, soziale Beziehungen bewusst zu gestalten. Man darf sich mit Menschen umgeben, die man mag, und sich fernhalten von solchen, die einen nerven.

In Ihrem Buch „simplify your love“ geben Sie Tipps für eine stabile und glückliche Partnerschaft und dies ist auch gleichzeitig die sechste Stufe der simplifiy-Lebenspyramide. Was können Sie uns raten?

Männer und Frauen, das is schon so ne Truppe! Wenn sie sich ihre Gefühle mitteilen, dann meist auf schreckliche Art und Weise: Entweder schlucken sie alle negativen Äußerungen runter und machen auf Dauersonnenschein. Oder es wird nur am anderen rumgemotzt und rumgemeckert. Dabei kommt es auf die Mischung an. Auf 5 Teile positive sollte 1 Teil negative Äußerungen kommen, sagen die Wissenschaftler. Ich merke schon, viele werden sagen: Das kann ich nicht! So viel Gutes fällt mir über ihn oder sie gar nicht ein! Haben sich die Wissenschaftler da nicht getäuscht? Nein, haben sie nicht.

Der größte Feind einer glücklichen Ehe und Partnerschaft, scheint immer der Beruf zu sein. „Du hast keine Zeit für mich“, ist die stereotype Klage der Frau an ihren beruflich erfolgreichen Mann, oder umgekehrt vom Mann an seine Frau. Was kann man dagegen tun?

So wie Sie im Beruf Zeit und Energie für das Erwirtschaften finanzieller Gewinne einsetzen, sollten Sie in Ihrer Ehe Zeit für Zärtlichkeit aufwenden. Es sind häufig die einfachen und stillen Momente der Zweisamkeit. Überraschen Sie Ihren Partner, haben Sie Mut zur Romantik und sagen Sie Ihrem Partner, dass Sie ihn lieben.

Kein Mensch ist einfach nur so auf der Erde“, schreiben Sie in Ihrem Buch. Leben hat ein Ziel, hat einen inneren Sinn. Wie kommt man seinen Lebenszweck näher, wenn man ihn noch nicht entdeckt hat?

Beim Turm ganz oben auf der Lebenspyramide geht es um Ihren tiefste Kern, mit dem Sie in einzigartiger Weise verbunden sind mit anderen Menschen und der gesamten Schöpfung. Psychologen nennen es das Selbst. Niemand kann Ihnen Ihr Lebensziel von außen geben, nicht Ihre Eltern, nicht Ihre Firma, nicht Ihr Lebenspartner, nicht Ihre Kindern auch keine Religion. Sie müssen es selbst in sich entdecken.

Das Dach der Pyramide ist Spiritualität. Sie zitieren dort unter anderem den libanesischen Dichter Kahlil Gibran: „Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“. Wie ist Ihrer Meinung nach dieses Zitat zu verstehen?

Liebe besteht nicht darin, etwas Außergewöhnliches zu tun, sondern die gewöhnlichen Dinge des Lebens achtsam und sachgemäß zu erledigen. Manchmal auch dadurch, dass Sie etwas ganz Einfaches mit außergewöhnlicher Meisterschaft durchführen. Da gilt das schöne Motto: Entweder, ich mache es einfach, oder ich mache es einfach nicht!

Herzlichen Dank für das Interview.

Autorin: Anita Schmitt