Psychische Erkrankungen auf dem Höchststand

Am 13. April 2021 hat der Health Care Bayern e.V. Experten eingeladen, um auf den aktuellen Stand der psychischen Erkrankungen in der Corona-Krise zu blicken. Da ich das Webinar „Ein Jahr Corona-Krise: Psychische Erkrankungen auf dem Höchststand“ mit den hervorragenden Rednern aufschlussreich fand, möchte ich die für mich wesentlichen Erkenntnisse einmal darstellen.

Steigerung der psychischen Erkrankungen

Antje Judick von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zeigte die Zahlen, Daten und Fakten der aktuellen Entwicklung psychischer Erkrankungen aus der Sicht der Krankenkassen auf. Auf Basis von 812.000 bei der KKH versicherten Arbeitnehmern nannte sie die Ergebnisse einer Studie vom Februar 2021. Laut Judick wurden im Jahr 2020 mehr Frauen als Männer psychisch krank, die größte Steigerung gab es in Thüringen, Hamburg und Schleswig-Holstein und die meisten Diagnosen waren depressive Episoden (F32) und Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43), gefolgt von wiederkehrende depressive Störunge, Burnout-Syndrom/Chronische Erschöpfung, Angststörungen und somatoforme Störungen. Trotz der Steigerung der psychischen Erkrankungen sind die Kosten für stationäre Aufenthalte gesunken und die stationären Krankenhausfälle zurückgegangen.

Corona-Pandemie betrifft nicht nur Erwachsene sondern auch Kinder

Professor Dr. Dr. Dr. Florian Holsboer, Arzt, Chemiker, ehemals Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München und seit 2014 Geschäftsführer der HMNC GmbH ging auf Stress, Angst und Depression in der Corona-Pandemie ein. Er nannte den unkontrollierten Stress, der gerade jetzt durch die Pandemie entsteht, einen wichtigen Kausalfaktor für psychische Krankheit und ein hohes Risiko für psychische Erkrankung. Fehlinformationen über Wirkung von Masken, Verordnungsgestrüpp Lockdown, Allmachtsattitüden des Staates, Bürokratie-Orgien, verkorkster Impfstart, das Theater mit dem Astra-Zeneca Impfstoff und der Impfstoffmangel führt laut Holsboer unweigerlich zu Stress. Psychisch Kranke werden kränker und vulnerable Gesunde werden psychisch krank. Anhand der Gene-Environment Interaction zeigte er den Kausalmechanismus zwischen Covid 19 und Depression auf. Liegt eine ererbte oder erworbene Veranlagung vor und wird diese durch äußere Einflüsse, Stressbelastung, soziale Isolation, Partnerkonflikte und Existenzangst verstärkt, kann es zur Depression kommen. Die Corona Pandemie betrifft aber nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder. Die COPSY-Studie des UKE-Hamburg hat nachgewiesen, das Risiko für psychische Auffälligkeiten hat sich seit Pandemiebeginn bei Kindern fast verdoppelt. Dabei ist das Risiko bei Kindern, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss oder/und Migrationshintergrund haben, besondern hoch. „Kinder vestehen nicht, was da geschieht, sind verunsichert und können sich nicht adaptieren“, sagte Professor Holsboer in seinem Vortrag. Typische Symptome einer psychischen Belastung sind bei Kindern Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen und Bauchweh. Eltern können ihren Kindern helfen gesund zu bleiben. Holsboer riet zu Begegnungen im Freien, das Zeigen und Zulassen von Gefühlen, Erklären weshalb der Kontakt vermieden werden muss und dazu, zuhause etwas gemeinsam zu unternehmen. Im weiteren Verlauf seines Vortrages ging er zudem auf die Suizidalität in der Covid-19 Pandemie ein. Anhand einer Studie aus Japan zeigte er auf, dass die Suizidrate zu Beginn der Pandemie unverändert war und in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 erheblich zunahm. Somit wird die Corona-Belastung per se nicht zum Suizid führen, aber die negativ verzerrte Weltsicht in einer Depression und die äußere Einwirkungen führen zu Suizidgedanken und Suzide. Das bedeutet, je mehr Menschen wegen Covid-19 an Depression erkranken, umso mehr Suizide und Suizidversuche wird es geben, sagte Holsboer. Ein weiteres Thema von Professor Holsboer war Long-Covid. Psychisch Erkrankte haben ein erhöhtes Risiko für Long-Covid, welches sich durch psychische und neurologische Symptome zeigt. Psychische Symptome können Depression, Angst, PTSD-Symptom, Schlafstörungen, Antriebsarmut sein. Neurologische Anzeigen sind Riechstörungen, Nervenschmerz, Schwindel und Störungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und der Konzentration. Das Resümee von Professor Holsboer war, dass wir mit dem Virus leben lernen müssen, psychische Erkrankungen wie Angst, Depression und PTSD zunehmen werden, Kinder vor den Auswirkungen der Pandemie geschützt werden müssen, sowie Politiker, Wissenschaftler und Medien verantwortungsvoller mit Informationen und Meinungen umgehen müssen.

Belastung von Psychiatrie während Corona

Professor Dr. Peter Brieger, Ärztlicher Direktor des kbo-Isar-Amper-Klinikums in der Region München gab Einblicke in eine psychiatrische Klinik in der Corona Pandemie. Auf die Frage „Was wissen wir nach 13 Monaten Corona Versorgung?“ nannte er den kontinuierlichen und unspezifischen Ansstieg der allgemeinen Belastung in der Bevölkerung. Bislang gäbe es zwar kaum covid-spezifische psychiatische Störungsbilder, jedoch mehr psychische Störungen bei Covid Infektionen. Ein erhöhter Aufwand entsteht nicht nur in der Versorgung, sondern auch durch die Anpassung der Klinikstruktur und der Prozesse und durch Infektionen im Personal. Sorgen bereitet Brieger die entstehende Verschlechterung der psychiatrischen Versorgung und die Ermüdung der Mitarbeiter bezüglich zentraler Steuerung und politischen Vorgaben. Dabei ist der Wunsch nur eine gute medizinisch-psychiatrische-psychotherapeutische Versorgung von psychisch kranken Menschen mit oder ohne Covid, zu gewährleisten.

Digitale Medien in der ambulanten Versorgung

Dr. Nikolaus Melcop, Präsident der Bayerischen Landeskammer der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (PTK Bayern) ging in seinem Vortrag auf die digitalen Angebote in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung während und nach der Corona-Krise ein. Digitale Medien können als Kommunikationsmedium zwischen Patient und Psychotherapeut, zum Beispiel durch Videobehandlung eingesetzt werden. Ebenso dienen sie als Arbeitsmittel in der Therapie und Verwaltung, sowie in der Zusammenarbeit mti Akteuren im Gesundheitswesen. Seit Oktober 2019 können Videobehandlungen abgerechnet werden unter der Bedingung, dass die Diagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung im unmittelbaren persönlichen Kontakt stattfindet und eine zertifizierte Software verwendet wird. Eine Onlinebefragung mit 3500 Psychotherapeuten ergab, knapp 90 Prozent nutzen die Videobehandlung und können sich auch nach Ende der Pandemie Videobehandlungen vorstellen. Seit Oktober 2020 werden auch Apps zugelassen, die von Psychotherapeuten und Ärzten verordnet werden können.

Mein Resümee

Mein Resümee des zweitstündigen Webinars: Die psychosomatischen Auswirkungen von Corona werden erst noch sichtbar werden, wenn die Funktionalität der Menschen in der akuten Krise (Überlebensmodus) weicht und ein neuer Alltag mit all den entstandenen Konditionierungen einkehrt.

Copyright Anita Schmitt