Cocooning in Corona-Zeiten

Trendforscher haben in den letzten Jahren immer wieder einen Begriff in den Mund genommen: Cocooning. Das Einmummeln in unsere eigenen vier Wände ist ein Megatrend des Wohnens und Lifestyles. Der Zukunftstrend ist aber nicht mit dem jetzt stattfindenden Corona-Cocooning zu verwechseln. Weshalb nicht, möchte ich aufzeigen.

Woher kommt das Wort Cocooning?

Abgeleitet von dem Wort cocoon, also dem Kokon, bedeutet es so viel wie einmummeln. Ähnlich der Raupe, die sich zur Puppe entwickelt, ist gerade der Rückzug in das eigene Gehäuse, ob Haus mit Garten, der Wohnung mit und ohne Balkon oder dem eigenen Zimmer, unter cocoon zu verstehen. Zur Zeit findet solch ein Verpuppen statt,  veranlasst durch den bedrohlich wirkenden Virus Covid-19.

Was bedeutet der Trend Cocooning?

Unter dem Trend Cocooning ist der Rückzug von Menschen in das häusliche Privatleben gemeint. Es ist sowohl ein Wohntrend als auch eine Art zu leben.

Cocooning als Wohntrend

Der Wohntrend zeigt sich in der Vielzahl von Onlineangeboten und Wohnzeitschriften zur Gestaltung des eigenen Wohnbereichs. Die eigene Wohnung wird zum Spiegelbild der eigenen Persönlichkeit und zu einem Wohlfühlort. Das häusliche Umfeld wird zum Ausdruckmittel des Selbst. Textilien bekommen eine andere Bedeutung als Nützlichkeit. Schönheit und Emotionen stehen im Vordergrund, so ist das Kissen so flauschig wie eine Umarmung und passt farblich exakt zum Interieur. Auch die Nachhaltigkeit und Gesundheit wird bedacht, es dürfen Naturmaterialien wie Baumwolle oder Seide sein. Urlaub zu Hause wird durch Möbel aus Schweden, Italien oder Norwegen umgesetzt, kombiniert mit Dekorationsartikel aus den Reisen nach Afrika oder Asien. Dazwischen zeigen sich die Wurzeln des Bewohners, zum Beispiel durch Bilder der Familie. Durch Vintage-Möbel, also durch gebrauchte alte Möbel von Oma und Opa wird Heimat in die Wohnung geholt. Die Wohnung ist die Heimeligkeit der heutigen Zeit und bedient die Sehnsucht nach Nähe und Wärme.

Cocooning, ein Lebensstil

Der Trend Cocooning ist aber kein Rückzug in das Alleinsein oder sogar Einsamkeit, sondern eher ein Einladen statt Ausgehen. Gemeinsames Kochen, gemeinsame Spiele- oder Filmabend, das ist der Lifestil, für den Cocooning steht. Es ist sinnbildlich die Familienküche unserer Großeltern. Alle sitzen am Tisch, jeder wird geliebt, geachtet und gewürdigt. Es ist ein Miteinander, ein Wir.

Getrieben wurde das Social Cocooning von Food-Trends, ausgelöst und zuerst praktiziert in den Großstädten wie Berlin. Selbst Fremde wurden eingeladen in die „Gute Stube“ zu Dinner-Duells oder Supper Clubs und gefunden wurde sich über Plattformen wie „Eatwith“. Dabei ging es bei diesen Events nicht um die Vernetzung, sondern um den Dialog, die tiefere Verbindung, achtsame Kommunikation und Zusammengehörigkeit.

Hygge, ein Lebensgefühl

Nun kommen wir um eine Begrifflichkeit nicht herum: Hygge. Für viele ist eine Umarmung, aber gerade in den nordischen Staaten wir Dänemark, Norwegen, Schweden steht es für eine bestimmte Lebensart der Gemütlichkeit, des Wohlbefindens, der Freude, Entspannung, Gelassenheit und einer besonderen Atmosphäre, die man vielleicht als Gemeinschaft in der Familie erlebt hat. Dieses Lebensgefühl verbindet man auch mit dem Cocooning.

Corona-Cocooning

Nun könnte man meinen, ist doch super, dass wir die Möglichkeit zum Rückzug in die schönen vier Wände mit der eigenen Familie bekommen. Das ist sicherlich richtig, wenn es nur die heile Welt und den Idealzustand gäbe.

Also liebende Menschen, die gerne und reif in ihrer Kommunikation zusammenleben möchten. Das ist aber nicht immer gegeben, was sich in Gewalt, Streit, Erniedrigung, Kränkung, Einsamkeit etc. zeigt.

Somit ist das nun kollektiv verordnete Cocooning eher eine Reifeprüfung für alle. Für die Familien, die auf engsten Raum über mehrere Wochen sich miteinander beschäftigen dürfen. Für die Eltern, die nun Lehrer, Entertainer, Reinigungskraft und Streitschlichter gleichzeitig sein dürfen und oftmals völlig überfordert sind von der dauernden Betriebsamkeit.  Für die Paare, die sich außerhalb des Alltags nun neu entdecken dürfen und gute, aber auch schlechte, Seiten am Partner finden. Für die Kinder, die ihren Bewegungsdrang nicht ausleben können und so viel Langsamkeit und anwesende Eltern gar nicht mehr gewöhnt sind. Für die vielen Menschen, egal welchen Alters, die nun allein zu Hause sitzen und deren Higlight der Gang zum Einkaufen ist, und ansonsten in ihrem Alleinsein aufkommende Angst, Panik, Depression und Einsamkeit verspüren. Und für uns alle, die Freunde, Kollegen und Familienangehörige vermissen und ohne die Nähe geliebter Menschen zurecht kommen müssen. Wir alle leben in einer herausfordernden, noch nie dagewesenen Situation. Das einzige was hilft ist, sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren, das Schöne in der Krise zu suchen, sich auf die Möglichkeiten statt auf die Einschränkungen zu fokussieren und die Menschen zu unterstützen, die gerade durch die Krise Mehrarbeit leisten, wie zum Beispiel im Einzelhandel, der Pflege, der Logistik und vieles mehr. Bleibt offen und herzlich in eurem Wesen, bleibt kritisch aber nicht bewertend und veruteilend, bleibt wach und bereit um dann wie die Puppe zu einem Schmetterling zu werden.

Ich hoffe sehr, dass nach der Verpuppung viele schöne Schmetterlinge davonschweben, ihre Freiheit schätzen, und sich schnell wieder an einer blühenden Landschaft voller Freude und Dankbarkeit erfreuen können.

Copyright: Anita Schmitt